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Baustoffe mit geringer grauer Energie: So sanieren Sie nachhaltig und klimafreundlich


Baustoffe mit geringer grauer Energie: So sanieren Sie nachhaltig und klimafreundlich
Nov, 5 2025

Wenn Sie Ihr Haus sanieren, denken Sie wahrscheinlich zuerst an neue Fenster, bessere Dämmung oder eine moderne Heizung. Doch die größte Klimabelastung liegt oft schon vorher - in den Materialien, die Sie dafür verwenden. Die graue Energie - also die Energie, die für Herstellung, Transport und Entsorgung von Baustoffen verbraucht wird - macht heute bis zu 60 Prozent der gesamten CO₂-Belastung eines Gebäudes aus. Und das, obwohl das Haus noch gar nicht mal genutzt wurde. Wer wirklich nachhaltig sanieren will, muss deshalb anfangen, wo viele noch nicht hinschauen: bei den Baustoffen.

Was ist graue Energie - und warum ist sie so wichtig?

ist die unsichtbare Energie, die in jedem Baustoff steckt. Sie entsteht, wenn Ziegel gebrannt werden, Stahl geschmolzen wird, Holz geschnitten und transportiert wird, oder wenn Dämmmaterial aus Erdöl hergestellt wird. Diese Energie wird nicht beim Heizen verbraucht, sondern schon vorher - beim Herstellen, Transportieren und Verlegen. Immer mehr Studien zeigen: Bei modernen, energieeffizienten Gebäuden ist die graue Energie sogar größer als die Energie, die später für Heizung und Kühlung benötigt wird.

In Deutschland verursacht der Bausektor rund 60 Prozent des gesamten Abfalls. Jedes Mal, wenn ein Haus abgerissen wird, landen Tonnen von Beton, Ziegel und Dämmstoffen auf dem Müll. Und jedes Mal, wenn neue Materialien hergestellt werden, wird CO₂ freigesetzt. Wer sanieren will, hat also eine große Chance: Statt neu zu bauen, kann er die bestehende Substanz nutzen - und damit bis zu 90 Prozent der grauen Energie sparen.

Welche Baustoffe haben wirklich geringe graue Energie?

Nicht alle Materialien sind gleich. Einige sind klimafreundlich, andere sind echte CO₂-Schleudern. Hier sind die besten Optionen für eine nachhaltige Sanierung:

  • Holz: Holz bindet CO₂ während des Wachstums. Ein Kubikmeter Holz speichert rund eine Tonne CO₂. Wenn Sie Holz als Wand- oder Dachkonstruktion verwenden, wird Ihr Haus zur Kohlenstoffsenke. Holzbauweisen benötigen weniger Energie beim Herstellen als Ziegel oder Beton - und haben oft bessere Dämmeigenschaften. In Deutschland sind mittlerweile fast 20 Prozent aller Neubauten Holzhäuser - kein Zufall.
  • Lehm: Lehm ist der älteste Baustoff der Welt - und einer der klimafreundlichsten. Er wird einfach aus der Erde gewonnen, benötigt kein Brennen, kein Chemie, kein Transport über Hunderte von Kilometern. Lehmputze regulieren die Luftfeuchtigkeit, verhindern Schimmel und sorgen für ein gesundes Raumklima. Viele alte Bauernhäuser in der Lüneburger Heide wurden mit Lehm gebaut - und stehen heute noch.
  • Natürliche Dämmstoffe: Holzfaserdämmung, Hanf, Schilf oder Flachs sind keine exotischen Nischenprodukte mehr. Sie werden in Deutschland produziert, sind biologisch abbaubar und benötigen bis zu 80 Prozent weniger graue Energie als Polystyrol oder Mineralwolle. Die TU Darmstadt hat 2023 nachgewiesen: Ein Dach mit Hanfdämmung spart mehr CO₂ als eine ganze Heizungsumstellung.
  • Recycelte Materialien: Beton aus altem Abbruchmaterial, Ziegel aus recyceltem Mauerwerk, Glaswolle aus alten Flaschen - Recycling reduziert die graue Energie dramatisch. Wer alte Ziegel wieder verwendet, spart nicht nur Energie, sondern auch die Müllgebühren für den Abtransport.
  • Naturstein aus der Region: Wenn Sie Naturstein verwenden, achten Sie auf Herkunft. Ein Stein aus dem Sauerland hat eine viel bessere Ökobilanz als einer aus Italien oder der Türkei. Die Transportwege sind entscheidend - und oft unterschätzt.

Warum Ziegel und Beton oft die schlechteste Wahl sind

Ziegelstein und Beton sind nicht per se schlecht. Aber ihre Herstellung ist energieintensiv. Ziegel werden bei über 1000 Grad gebrannt - das braucht Gas oder Kohle. Beton wird aus Zement hergestellt, und Zementproduktion ist für acht Prozent der globalen CO₂-Emissionen verantwortlich. Ein Kubikmeter Zement freisetzt etwa 400 kg CO₂ - so viel wie ein Kleinwagen in 2000 Kilometern fährt.

Auch wenn ein Massivhaus gut gedämmt ist, bleibt der hohe Materialaufwand ein Problem. Mehr Ziegel = mehr CO₂. Mehr Beton = mehr Emissionen. Und wenn das Haus eines Tages abgerissen wird, landet alles auf der Deponie. Kein Recycling, kein Rückbau - nur Abfall.

Vergleich von CO2-intensivem Beton und klimafreundlichem Holz mit Hanfdämmung in einer ökologischen Darstellung.

Sanieren mit Bestand - der beste Klimaschutz

Die nachhaltigste Sanierung ist die, die gar nicht erst neu baut. Alte Putze, Balken, Türen, Fenster - wenn sie noch stabil sind, bleiben sie drin. Eine Studie des Deutschen Instituts für Baubiologie zeigt: Die Wiederverwendung von Bauteilen reduziert die graue Energie um bis zu 90 Prozent im Vergleich zu Neuproduktion.

Stellen Sie sich vor: Sie sanieren ein altes Haus aus den 1920er Jahren. Statt die Wände abzureißen und mit neuen Ziegeln aufzubauen, reinigen Sie die alten Ziegel, füllen die Fugen mit Lehm, dämmen von innen mit Holzfaser und setzen neue Fenster ein. Sie haben nicht nur eine historische Substanz erhalten - Sie haben auch 80 Prozent weniger CO₂ ausgestoßen als bei einem Neubau.

Viele Handwerker sagen: „Das ist zu aufwendig.“ Aber das stimmt nicht. Mit der richtigen Planung ist es oft günstiger, als alles abzureißen. Und es ist der einzige Weg, der wirklich klimafreundlich ist.

Was kostet nachhaltiges Sanieren - und lohnt es sich?

Ja, es kostet mehr. Aber nicht so viel, wie viele denken. Holzfaserdämmung kostet etwa 10-15 Prozent mehr als Styropor. Lehmputz ist etwas teurer als Gips. Holzkonstruktionen sind teurer als Ziegel. Aber: Diese Mehrkosten lassen sich mit Fördermitteln kompensieren.

Das BAFA-Programm „Energieeffizient Sanieren“ zahlt bis zu 30 Prozent der Kosten für nachhaltige Maßnahmen zurück - auch für Holzfaserdämmung, Lehmputz und recycelte Materialien. Und viele Kommunen, wie Solingen oder Lüneburg, bieten zusätzliche Zuschüsse für ökologische Sanierungen.

Langfristig sparen Sie noch mehr: Holz und Lehm brauchen keine Wartung, halten Jahrzehnte, und verhindern Schimmel - das senkt die Reparaturkosten. Ein Haus mit geringer grauer Energie ist nicht nur besser für das Klima - es ist auch besser für Ihre Geldbörse.

Urban Mining: Wiederverwendete Baumaterialien wie Ziegel und Balken in einer ehemaligen Schule als Materialbank organisiert.

Die Zukunft: Urban Mining und gesetzliche Vorgaben

Bis 2030 werden die Anforderungen an die graue Energie sich verdoppeln, prognostiziert das Institut für Wohnen und Umwelt. Die Bundesregierung plant ab 2024 verbindliche Grenzwerte für öffentliche Gebäude - bald auch für private Sanierungen.

Die neue Strategie heißt Urban Mining: Statt neue Rohstoffe aus der Erde zu holen, holen wir sie aus alten Gebäuden. Alte Ziegel werden abgetragen, gereinigt und neu verwendet. Holzbalken werden wiederverwendet. Fenster werden aufgearbeitet. Das ist kein Traum - das passiert bereits in Hamburg, Berlin und Köln. In Lüneburg gibt es erste Projekte, bei denen alte Schulgebäude als Materialbank dienen - jeder Stein, jeder Balken wird dokumentiert und später wieder eingesetzt.

Die Zukunft des Bauens ist kein Neubau. Die Zukunft ist Wiederverwendung.

Was können Sie jetzt tun?

Sie brauchen kein Experte zu sein, um nachhaltig zu sanieren. Hier sind fünf konkrete Schritte:

  1. Prüfen Sie den Bestand: Was kann bleiben? Alte Balken, Ziegel, Türen? Nicht alles muss weg.
  2. Wählen Sie regionale Materialien: Holz aus der Lüneburger Heide, Lehm aus der Region, Dämmung aus Hanf aus Niedersachsen - kürzere Wege = weniger CO₂.
  3. Verzichten Sie auf Styropor und Mineralwolle: Nutzen Sie Holzfaser, Hanf oder Schilf.
  4. Informieren Sie sich über Fördermittel: BAFA, KfW, Kommunen - viele Zuschüsse gibt es für nachhaltige Baustoffe.
  5. Suchen Sie nach Handwerkern mit Erfahrung: Nicht jeder Maurer kennt Lehmputz. Finden Sie Spezialisten, die wissen, wie man mit natürlichen Materialien arbeitet.

Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, besser zu machen als gestern. Jeder Quadratmeter Holzfaserdämmung, jeder alte Ziegel, den Sie wiederverwenden - das zählt. Und das macht den Unterschied.