Stellen Sie sich vor, Sie haben jahrelang in Ihr Zuhause investiert - Renovierungen, neue Fenster, eine moderne Heizung. Doch plötzlich sinkt der Wert Ihrer Immobilie, ohne dass ein Sturm, ein Brand oder ein Einbruch passiert ist. Keine sichtbaren Schäden, kein Wasser im Keller. Stattdessen: ein unsichtbarer, aber tödlicher Einfluss - Umweltschäden. Ob durch Bodensenkungen, Chemikalien im Grundwasser oder den Klimawandel. Die Realität: Wertverlust durch Umweltschäden an Immobilien ist kein Zukunftsszenario. Es passiert jetzt. Und die meisten Versicherungen decken es nicht ab.
Was genau ist ein Umweltschaden an einer Immobilie?
Ein Umweltschaden ist nicht immer ein plötzlicher Unfall. Er kann sich langsam, fast unsichtbar, aufbauen. Ein Beispiel: Ihr Grundstück liegt in einer Region, die seit Jahren unter Bodensenkungen leidet. Die Erde sackt langsam ab, Risse entstehen in den Außenwänden. Die Bausubstanz bleibt intakt - aber niemand will mehr kaufen. Der Wert sinkt um 20, 30, manchmal 50 Prozent. Warum? Weil die Gefahrenkarte des Bundesamts für Umwelt (Bafu) das Gebiet als rutschungsgefährdet einstuft. Keine Versicherung zahlt für diesen Wertverlust. Nur für den Schaden, wenn ein Haus tatsächlich einstürzt.
Andere Fälle: Grundwasserverunreinigungen durch PFAS-Chemikalien. Diese Stoffe, früher in Teflon, Feuerlöschschaum und Textilien verwendet, halten sich jahrzehntelang in Boden und Wasser. Sie sind krebserregend, schwer abbaubar. In den USA haben Versicherer bereits über 10 Milliarden Dollar für Schäden durch PFAS gezahlt. In Belgien waren es 571 Millionen Euro. In der Schweiz ist das Thema noch nicht öffentlich bekannt - aber Immobilien, die betroffen sind, verlieren bis zu 35 Prozent ihres Wertes. Keine Gebäudeversicherung zahlt für Sanierungskosten. Keine Haftpflicht. Nichts.
Und dann gibt es noch den Klimawandel. Ein Haus mit schlechter Energiebilanz wird bis 2050 nicht mehr verkaufbar sein. Die EU-Taxonomie-Verordnung klassifiziert solche Immobilien ab 2024 als nicht nachhaltig. Das bedeutet: Banken verweigern Kredite, Mieter ziehen aus, Investoren meiden diese Objekte. Das ist kein Baufehler. Das ist ein systematischer Wertverlust. Und er wird von keiner herkömmlichen Versicherung abgedeckt.
Was deckt die normale Gebäudeversicherung ab?
Die Gebäudeversicherung in der Schweiz ist eine der besten der Welt - aber nur für einen Teil der Gefahren. Sie zahlt, wenn ein Blitz einschlägt, ein Sturm das Dach abhebt, oder ein Feuer das Haus zerstört. Sie zahlt für plötzliche, äußere Ereignisse. Nicht aber für langsame, innere Zerstörung.
Was fehlt? Alles, was nicht "plötzlich" ist. Bodensenkungen durch Rutschungen? Nicht versichert - außer im Kanton Graubünden, wo seit 2019 eine Sonderregelung gilt. Grundwasserschäden durch Chemikalien? Nicht versichert. Wertverlust durch Klimarisiken? Nicht versichert. Schäden durch Hagel oder Starkregen? In vielen Kantonen nur teilweise abgedeckt. Die Gefahrenkarten des Bafu zeigen genau, wo Risiken liegen - aber sie sagen nichts über Hagel, Sturmfluten oder Trockenheit aus. Die Versicherung weiß also nicht, was sie nicht abdeckt. Und der Eigentümer auch nicht.
Die durchschnittlichen Kosten für eine Gebäudeversicherung liegen bei 0,15 bis 0,3 Prozent des Versicherungswerts pro Jahr. Klingt günstig. Aber wenn Sie in einem Hochrisikogebiet wohnen, zahlen Sie oft mehr - nicht für mehr Schutz, sondern für denselben Schutz, der nicht reicht. In Graubünden ist die Versicherung teurer, weil sie mehr abdeckt. In anderen Kantonen ist sie günstiger - weil sie weniger abdeckt. Und niemand sagt Ihnen das vor dem Kauf.
Was ist mit privaten Naturgefahrenversicherungen?
Private Anbieter wie GEV Protect oder NV PremiumPlus bieten Zusatzversicherungen für Naturgefahren. Sie decken Hochwasser, Erdrutsche, Lawinen - aber nur, wenn sie eintreten. Nicht, wenn sie drohen. Und sie zahlen nur für Schäden am Gebäude, nicht für den Wertverlust der Immobilie. Ein Beispiel: Ihr Haus übersteht das Hochwasser unbeschadet. Aber das Grundstück liegt jetzt in einem offiziell als gefährdet eingestuften Gebiet. Der Wert sinkt. Die Versicherung zahlt nichts.
Die Prämien dafür liegen zwischen 55 und 56 Euro pro Jahr für ein kleines Grundstück. Klingt wenig. Aber in Hochrisikogebieten steigen sie um bis zu 300 Prozent. In Brienz, nach den Rutschungen von 2021, stieg die Prämie für einige Eigentümer um 220 Prozent - bis die kantonale Sonderregelung half. Aber nicht alle konnten profitieren. Einige Immobilien waren danach überhaupt nicht mehr versicherbar. Keine Firma wollte das Risiko tragen. Keine Versicherung. Kein Kredit. Kein Verkauf.
Die Versicherungswirtschaft Schweiz (VWS) prognostiziert: Bis 2025 werden in 15 Prozent der Schweizer Gemeinden die Prämien für Naturgefahren um mehr als 50 Prozent steigen. Ländliche Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte sind besonders betroffen. Die Folge: Immobilien werden unverkäuflich. Die Werte brechen ein. Und die Versicherung? Sie zahlt nicht. Sie hat sich einfach aus dem Risiko zurückgezogen.
Warum ist die staatliche Elementarversicherung in Deutschland besser?
In Deutschland gibt es eine staatliche Elementarschadenversicherung. Sie ist nicht perfekt, aber sie funktioniert anders. Sie zahlt für Hochwasser, Erdrutsche, Schneedruck - unabhängig davon, wo Sie wohnen. Ob Sie in einem sicheren Viertel oder in einer Flussniederung leben: Die Prämie ist gleich. Das ist Quersubventionierung. Die Sichereren zahlen für die Gefährdeten. Es ist fairer. Und es verhindert, dass ganze Regionen aus dem Markt fallen.
In der Schweiz ist das anders. Jeder zahlt nur für das, was ihn direkt betrifft. Wer in einer sicheren Gegend lebt, zahlt wenig. Wer in einer Rutschzone wohnt, zahlt viel - oder gar nichts. Die Folge: Die Risiken werden nicht verteilt. Sie konzentrieren sich. Und wer am Ende zahlt? Der Eigentümer. Der Käufer. Der Mieter. Der Staat, wenn die Immobilie verfällt.
PFAS: Der unsichtbare Zeitbombe
PFAS-Chemikalien sind der neue Asbest. Sie sind überall - in alten Industriegebieten, auf ehemaligen Flugplätzen, in Abwasserkanälen. Sie sickern ins Grundwasser. Sie bleiben Jahrzehnte. Sie schaden der Gesundheit. Und sie zerstören Immobilienwerte.
Ein Fall aus dem Internetforum Immobiliendiskussion.de: Ein Investor kaufte 2020 ein Grundstück in der Nähe eines alten Chemiewerks. 2023 wurde festgestellt: Das Grundwasser ist mit PFAS belastet. Der Wert sank um 35 Prozent. Der Käufer wollte verkaufen. Niemand wollte kaufen. Keine Versicherung übernahm die Sanierungskosten. Keine Bank gewährte einen Kredit. Der Eigentümer saß auf einem wertlosen Stück Land.
Dr. Thomas Schirmer von der LBBW warnt: PFAS-Schäden könnten in der Schweiz dreistellige Milliardenbeträge erreichen. Größer als der Asbest-Skandal. Und die Versicherer reagieren schon jetzt: Seit Januar 2023 schließen nordamerikanische Firmen PFAS-Deckungen in neuen Verträgen aus. In der Schweiz ist das noch nicht standardisiert. Aber es kommt. Und wenn es kommt, sind Immobilien in betroffenen Zonen nicht mehr versicherbar. Und damit nicht mehr finanzierbar. Nicht mehr verkaufbar.
Was können Sie tun?
1. Prüfen Sie die Gefahrenkarten des Bundesamts für Umwelt (Bafu). Gehen Sie auf die Website. Suchen Sie nach Ihrem Grundstück. Ist es in einer Rutsch-, Hochwasser- oder Lawinengefahrzone? Dann sind Sie nicht nur gefährdet - Sie sind unterversichert.
2. Holen Sie mindestens drei Angebote ein. Vergleichen Sie nicht nur die Preise. Fragen Sie: Was ist ausgeschlossen? Wird Wertverlust abgedeckt? Wird PFAS abgedeckt? Wird Klimarisiko berücksichtigt? Die meisten Versicherer antworten nicht. Das ist ein Warnsignal.
3. Prüfen Sie die Energieeffizienz Ihres Hauses. Wenn Ihr Energieausweis schlecht ist - C, D oder schlechter - wird Ihr Haus bis 2050 kaum noch einen Wert haben. Die IEA sagt: Der Immobiliensektor verursacht 40 Prozent der globalen CO2-Emissionen. Die EU sagt: Kein Kredit mehr für unsaubere Gebäude. Sanieren Sie jetzt. Oder verlieren Sie später alles.
4. Nutzen Sie kostenlose Schulungen des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV). Sie dauern vier Stunden. Sie erklären, was versichert ist - und was nicht. 63 Prozent der Immobilieneigentümer wissen das nicht. Sie müssen es wissen.
Was kommt als Nächstes?
Die Schweizerische Eidgenossenschaft plant bis Ende 2023 eine Überarbeitung der Gefahrenkarten - mit stärkerer Berücksichtigung des Klimawandels. Das ist ein erster Schritt. Aber er reicht nicht. Der Klimaforscher Dr. Markus Müller vom Paul Scherrer Institut prognostiziert: Bis 2040 steigen die versicherten Schäden durch Naturereignisse um 150 bis 200 Prozent. Das bedeutet: Die Versicherungswirtschaft wird nicht mehr in der Lage sein, alle Risiken zu tragen. Sie wird sich zurückziehen. Sie wird nur noch in sicheren Zonen versichern. Und die anderen? Die werden auf sich selbst gestellt.
Die OECD warnt: Die aktuellen Versicherungsmodelle sind für langfristige, graduelle Schäden nicht ausgelegt. Sie sind für plötzliche Katastrophen gemacht. Aber der Klimawandel arbeitet langsam. Er ist ein stilles, aber mächtiges Risiko. Und er wird nicht aufhören, bis wir ihn anerkennen - und neu versichern.
Die Zukunft gehört nicht denjenigen, die die teuerste Versicherung haben. Sondern denjenigen, die verstehen, was wirklich ihren Wert bedroht. Und die handeln - bevor es zu spät ist.
Wird Wertverlust durch Umweltschäden von der Gebäudeversicherung abgedeckt?
Nein. Die standardmäßige Gebäudeversicherung in der Schweiz deckt nur plötzliche, äußere Schäden wie Feuer, Sturm oder Blitzschlag ab. Langfristige Wertverluste durch Bodensenkungen, PFAS-Verschmutzung oder Klimarisiken sind nicht versichert - mit Ausnahme des Kantons Graubünden, der seit 2019 eine Sonderregelung hat. Wertverlust ist kein Schaden im Versicherungssinn. Er ist eine Marktwirkung. Und die zahlt keine Versicherung.
Kann ich eine Versicherung abschließen, die PFAS-Schäden abdeckt?
Derzeit nein. Keine private oder öffentliche Versicherung in der Schweiz bietet eine Deckung für PFAS-Schäden an Immobilien. In Nordamerika schließen Versicherer diese Risiken bereits aus neuen Verträgen aus. In der Schweiz ist das Thema noch nicht reguliert, aber die Entwicklung ist klar: Wenn eine Verschmutzung nachgewiesen wird, werden Immobilien nicht mehr versicherbar. Es gibt keine Rückversicherung für PFAS. Die Kosten wären zu hoch.
Wie teuer ist eine Naturgefahrenzusatzversicherung?
Die Kosten liegen zwischen 55 und 56 Euro pro Jahr für ein kleines Grundstück. In Hochrisikogebieten können sie jedoch bis zu 300 Prozent höher sein. Die Prämie hängt von der Fläche, der Lage und der Zugänglichkeit ab. Wichtig: Diese Versicherung zahlt nur, wenn ein Schaden eintritt - nicht, wenn der Wert sinkt. Sie deckt keine langfristigen Folgen ab.
Was passiert, wenn meine Immobilie nicht mehr versicherbar ist?
Wenn Ihre Immobilie nicht mehr versicherbar ist, verlieren Sie nicht nur den Schutz - Sie verlieren auch den Marktwert. Banken verweigern Kredite. Käufer ziehen sich zurück. Der Verkauf wird unmöglich. In Brienz und anderen Rutschgebieten ist das bereits Realität. Die einzige Lösung: Sanierung oder Verkauf zu einem Bruchteil des Wertes. Oder: Bleiben und auf staatliche Hilfe hoffen - die aber nicht garantiert ist.
Warum ist mein Haus plötzlich weniger wert, obwohl nichts kaputt ist?
Weil der Markt reagiert. Wenn eine Region als gefährdet eingestuft wird - durch Rutschungen, Hochwasser oder Chemikalien - verlieren Immobilien dort an Attraktivität. Käufer fürchten zukünftige Kosten. Banken fürchten Kreditrisiken. Mieter fürchten Unbezahlbarkeit. Der Wert sinkt nicht durch Schäden am Haus, sondern durch Angst vor der Zukunft. Das ist kein Baufehler. Das ist ein Systemrisiko. Und es wird von keiner Versicherung abgedeckt.