Stell dir vor, dein Hausdach muss saniert werden. Die Kosten liegen bei 50.000 Euro. Wer zahlt was? Wenn du in einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) lebst, ist das keine theoretische Frage - das ist dein Geld. Und seit der WEG-Reform Ende 2022 ist die Antwort viel flexibler als früher. Es geht nicht mehr nur um den Miteigentumsanteil. Es geht um Kostenteilung bei Gemeinschaftsflächen - und wie du als Eigentümer mitbestimmst.
Was gehört eigentlich zum Gemeinschaftseigentum?
Bevor du über Kosten sprichst, musst du wissen, was überhaupt gemeinsam ist. Laut § 1 Abs. 5 WEG ist Gemeinschaftseigentum alles, was nicht eindeutig einer Wohnung oder einem Teileigentum zugeordnet ist. Das sind zum Beispiel:
- Das Grundstück und der Garten
- Die Treppenhäuser, Flure und Aufzüge
- Dach, Außenwände und Fundamente
- Die Heizungsanlage und die zentrale Lüftung
- Die Hauszähler für Wasser, Strom oder Heizung
- Die Eingangstür des Hauses und die Hausnummer
Alles andere - wie Balkone, Fenster, Innentüren oder Fußböden - ist normalerweise Sondereigentum. Aber hier kommt der Haken: Ein Balkon ist zwar Sondereigentum, aber die Abdichtung darunter? Die ist Gemeinschaftseigentum. Und wenn die Abdichtung kaputt ist, wer zahlt dann? Das steht nicht im Gesetz. Das steht in der Teilungserklärung.
Die Teilungserklärung: Dein wichtigstes Dokument
Diese 50-seitige Urkunde, die du beim Notar unterschrieben hast, ist der Schlüssel. Sie definiert, was Gemeinschafts- und was Sondereigentum ist - und vor allem: Wer was zahlt. Sie ist verbindlich, wie ein Vertrag. Und sie wird beim Grundbuchamt eingetragen. Wenn sie nicht klar ist, wird es teuer - und stressig.
Ein typischer Streitpunkt: Balkonplatten. Wer zahlt die Reparatur? Wenn die Teilungserklärung sagt: „Balkon als Sondereigentum mit Pflicht zur Instandhaltung“, dann bist du dran. Wenn sie aber sagt: „Balkon mit tragender Konstruktion als Gemeinschaftseigentum“, dann zahlt die WEG. Viele Teilungserklärungen aus den 80er oder 90er Jahren sind unklar. Und genau da liegt das Problem: Die meisten Eigentümer wissen nicht, was drinsteht. Lies sie. Oder lass sie von einem Fachmann erklären.
Die gesetzliche Regel: Miteigentumsanteil (MEA)
Wenn nichts anderes steht, gilt die gesetzliche Grundregel: § 16 Abs. 2 WEG. Danach tragen alle Eigentümer die Kosten für das Gemeinschaftseigentum im Verhältnis ihres Miteigentumsanteils. Das ist ein Prozentsatz, der auf der Wohnfläche, der Lage und dem Baujahr basiert - und der in der Teilungserklärung steht. Ein Eigentümer mit 15 % MEA zahlt 15 % der Kosten. Ein Eigentümer mit 5 % zahlt 5 %.
Das klingt fair - und ist es auch, wenn alle Wohnungen gleich groß und gleich genutzt sind. Aber was, wenn du in einer kleinen 40 m²-Wohnung lebst, aber deine Nachbarn haben 120 m² und nutzen den Dachboden als Lager, den Keller als Werkstatt und den Garten als Grillzone? Du zahlst trotzdem 15 % - nur weil dein MEA so festgelegt ist. Ist das gerecht? Nicht immer.
Die WEG-Reform 2022: Du bekommst mehr Macht
Genau hier kommt die große Änderung: Seit Ende 2022 können Wohnungseigentümer mit einfacher Mehrheit entscheiden, wie die Kosten verteilt werden - egal, was die Teilungserklärung sagt. Das ist ein Durchbruch. Früher brauchte man für eine Änderung der Kostenteilung die Zustimmung aller. Heute reicht die Mehrheit der anwesenden Eigentümer, solange sie mehr als die Hälfte des MEA vertreten.
Das bedeutet: Du kannst jetzt beschließen, dass die Kosten für die Winterdienstleistung nicht nach MEA, sondern nach Wohnfläche aufgeteilt werden. Oder dass die Kosten für die Dachsanierung nur von den Eigentümern getragen werden, deren Wohnungen unter dem Dach liegen - weil nur sie davon profitieren. Oder dass die Kosten für die Aufzugsreparatur nach Nutzung (Anzahl der Fahrten pro Wohnung) verteilt werden - wenn ein Messsystem installiert ist.
Das ist kein Spiel. Das ist Recht. Und es ist praktisch. In Lüneburg hat eine WEG mit 12 Wohnungen kürzlich beschlossen, dass die Kosten für die Fassadendämmung nur von den Wohnungen mit Außenwänden getragen werden - nicht von den drei Wohnungen im Innenhof. Die Dämmung hat keinen Einfluss auf sie. Warum sollten sie zahlen? Mit der alten Regelung wäre das unmöglich gewesen. Heute? Einfache Mehrheit. Beschlossen. Bezahlt.
Was kann man alles anders verteilen?
Nicht jede Kostenart lässt sich beliebig umverteilen. Aber viele. Hier sind die gängigen Alternativen zum Miteigentumsanteil:
- Wohnfläche: Die einfachste Alternative. Wer mehr Platz hat, zahlt mehr. Gerecht, wenn die Nutzung ähnlich ist.
- Nutzfläche: Nur bei Teileigentum (z. B. Gewerbe in einem Haus). Hier zählt, was wirklich genutzt wird - nicht die Gesamtfläche.
- Verbrauch: Bei Heizung, Warmwasser oder Strom, wenn individuelle Zähler installiert sind. Wer viel verbraucht, zahlt mehr.
- Verursachung: Wer den Schaden verursacht, zahlt - z. B. bei einer Leitung, die ein Eigentümer selbst beschädigt hat.
- Anzahl der Personen: Nur bei kleinen WEGs (unter 5 Wohnungen). Wer mehr Menschen hat, verursacht mehr Abfall, mehr Wasser, mehr Strom - und zahlt mehr.
- Anzahl der Objekte: Bei Mehrhausanlagen. Jedes Haus zahlt für seine eigenen Wege, seine eigene Müllabfuhr.
Wichtig: Du kannst nicht einfach einen neuen Schlüssel festlegen. Du brauchst einen Beschluss in der Eigentümerversammlung. Und der muss schriftlich festgehalten werden. Die Protokolle sind rechtlich bindend.
Wann braucht man eine qualifizierte Mehrheit?
Nicht alle Entscheidungen sind einfach. Für:
- Instandsetzungen (z. B. Dach, Fassade, Kellerabdichtung)
- Bauliche Veränderungen (z. B. neue Treppe, Umbau der Hauseingänge)
- Modernisierungen (z. B. Wärmepumpe, Photovoltaik, Fenstertausch)
brauchst du eine qualifizierte Mehrheit: 3/4 der MEA und mindestens die Hälfte der Anwesenden. Das ist schwerer zu erreichen - aber notwendig, weil das das Gebäude verändert. Hier zählt nicht nur die Stimme, sondern auch das Geld: Wer 20 % des MEA hat, hat 20 % der Macht.
Was passiert, wenn jemand nicht zahlt?
Die WEG ist eine Solidargemeinschaft. Das bedeutet: Wenn ein Eigentümer seine Hausgeldzahlungen verweigert, bleibt die Gemeinschaft nicht auf den Kosten sitzen. Die anderen zahlen erstmal - und holen das Geld später ein. Das geht über einen Zwangsvollstreckungsbescheid. Die WEG kann den Schuldner vor Gericht bringen, den Miteigentumsanteil versteigern lassen - oder den Verkauf des Wohnungsrechts erzwingen.
Deshalb: Bleib fair. Zahlen ist Pflicht. Aber du hast auch das Recht, zu fragen: „Warum genau zahle ich das?“ Und du hast das Recht, einen anderen Verteilungsschlüssel zu verlangen - wenn die Mehrheit mit dir ist.
Praxis-Tipp: So vermeidest du Streit
Die meisten Streitigkeiten in WEGs entstehen, weil niemand weiß, was gilt. Hier sind drei Schritte, die du heute machen kannst:
- Lies deine Teilungserklärung. Nicht nur schauen - verstehen. Frag einen Fachmann, wenn du unsicher bist.
- Prüfe die aktuelle Kostenaufstellung. Steht da, wie die Kosten verteilt wurden? Wenn nicht, verlang eine Erklärung.
- Gehe zur nächsten Eigentümerversammlung. Bring einen Vorschlag mit: „Was hält ihr davon, die Winterdienst-Kosten nach Wohnfläche aufzuteilen?“
Ein Beispiel aus Lüneburg: Eine WEG mit 8 Wohnungen hatte jahrelang die Kosten für die Gartenpflege nach MEA verteilt. Ein Eigentümer hatte eine 150 m²-Wohnung, aber keinen Garten. Die anderen hatten kleine Wohnungen, aber große Gärten. Die Kosten waren unfair. In der letzten Versammlung wurde beschlossen: Jetzt zahlt jeder nach der Größe seines Gartens. Die Kosten sanken für den Eigentümer ohne Garten um 40 %. Die anderen zahlten etwas mehr - aber nur, weil sie auch mehr nutzen. Keiner hat geklagt. Weil jeder verstand, warum.
Fazit: Du bist nicht nur Mieter - du bist Eigentümer
Die WEG-Reform hat dir die Macht zurückgegeben. Du musst nicht mehr stillschweigend akzeptieren, was in der Teilungserklärung steht - wenn sie ungerecht ist. Du kannst entscheiden, wie die Kosten verteilt werden. Du kannst dafür sorgen, dass du nur für das bezahlst, was du wirklich nutzt. Und du kannst verhindern, dass dein Nachbar mit 200 m² und drei Autos deine Kosten mitträgt.
Das ist keine Theorie. Das ist dein Recht. Und es ist deine Verantwortung. Denn wenn du nicht mitbestimmst, entscheiden andere für dich. Und das ist teuer.
Wie wird die Kostenteilung bei Gemeinschaftsflächen normalerweise berechnet?
Normalerweise nach dem Miteigentumsanteil (MEA), der in der Teilungserklärung festgelegt ist. Das ist ein Prozentsatz, der auf der Wohnfläche, Lage und Baujahr basiert. Wer 10 % MEA hat, zahlt 10 % der Kosten für Gemeinschaftseigentum - wie Dach, Treppenhaus oder Heizung. Das ist die gesetzliche Regel, aber nicht die einzige.
Kann ich die Kostenteilung ändern, wenn ich finde, dass sie unfair ist?
Ja. Seit der WEG-Reform Ende 2022 reicht eine einfache Mehrheit der anwesenden Eigentümer - solange sie mehr als die Hälfte des Miteigentumsanteils vertreten. Du kannst z. B. beschließen, dass Kosten nach Wohnfläche, Verbrauch oder Nutzung verteilt werden - statt nach MEA. Die Teilungserklärung ist nicht mehr bindend, wenn die Mehrheit etwas anderes beschließt.
Was ist der Unterschied zwischen Gemeinschafts- und Sondereigentum?
Gemeinschaftseigentum ist alles, was allen gehört: Dach, Außenwände, Treppenhaus, Heizung, Grundstück. Sondereigentum ist das, was nur dir gehört: deine Wohnung, dein Balkon, deine Innentüren. Aber: Die Abdichtung unter deinem Balkon ist Gemeinschaftseigentum. Die Balkonplatte ist dein Sondereigentum. Die Teilungserklärung klärt das - und sie entscheidet, wer zahlt.
Wer zahlt bei einer Dachsanierung?
Normalerweise alle Eigentümer nach MEA - weil das Dach Gemeinschaftseigentum ist. Aber: Wenn du beschließt, dass nur die Wohnungen unter dem Dach zahlen (weil sie davon profitieren), kannst du das ändern. Dafür brauchst du eine einfache Mehrheit. Der BGH hat bestätigt: Kosten können nach Hauptnutzen verteilt werden - nicht nur nach Fläche oder MEA.
Was passiert, wenn jemand seine Hausgeldzahlungen verweigert?
Die anderen zahlen erstmal - denn die WEG ist eine Solidargemeinschaft. Aber die Gemeinschaft kann rechtlich vorgehen: Mit einem Zwangsvollstreckungsbescheid, einer Versteigerung des Miteigentumsanteils oder sogar einem Zwangsverkauf der Wohnung. Wer nicht zahlt, verliert sein Eigentum. Deshalb: Zahlen ist Pflicht - aber du hast auch das Recht, zu fragen, warum.