Als Bauherr denken Sie vielleicht: Ich habe einen Bauunternehmer engagiert, also liegt die Verantwortung bei ihm. Das ist ein gefährlicher Irrtum. Auf jeder Baustelle tragen Sie als Auftraggeber eine Haftung, die Sie nicht einfach abschreiben können - egal, wie gut Ihr Vertrag ist. Gerichte in Deutschland haben das in zahlreichen Fällen klargestellt. Ein Kind fällt in einen offenen Keller, ein Nachbarhaus reißt ein, ein Arbeiter wird als Scheinselbstständiger enttarnt: In allen Fällen sitzen Sie als Bauherr mit drin. Und die Kosten können Sie nicht mehr abwenden, wenn Sie nicht vorher richtig abgesichert sind.
Was genau ist Ihre Haftung als Bauherr?
Sie sind der Veranlasser der Baumaßnahme. Das bedeutet: Sie haben die Baustelle ins Leben gerufen. Und mit ihr alle Gefahren, die damit einhergehen. Das deutsche Deliktsrecht (§ 823 BGB) sagt klar: Wer eine Gefahrenquelle schafft, muss sie auch sicher machen. Das gilt für jeden, der baut - ob Privatperson oder Unternehmen. Die sogenannte Verkehrssicherungspflicht ist Ihr zentrales rechtliches Pflichtfeld. Sie umfasst alles, was auf oder von der Baustelle ausgeht: Stürze, herabfallende Werkzeuge, unsichere Zäune, ungesicherte Gruben, schlechte Beleuchtung, Schadstoffe, Vibrationen, die Nachbargebäude beschädigen.Warum ist das wichtig? Weil Warnschilder wie „Achtung, Baustelle - Betreten auf eigene Gefahr“ oder „Eltern haften für ihre Kinder“ rechtlich wertlos sind. Ein Gericht in Düsseldorf hat das 2017 klargestellt: Solche Schilder entbinden Sie nicht von Ihrer Pflicht, die Baustelle sicher zu machen. Sie müssen aktiv handeln - nicht nur auf Papier.
Was passiert, wenn etwas schiefgeht?
Stellen Sie sich vor: Ein Nachbar klagt, weil seine Wand durch Ihre Tiefbauarbeiten gerissen wurde. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat genau diesen Fall 2016 entschieden. Die Baufirma hatte mit einem Rammgerät in unmittelbarer Nähe des Nachbarhauses gearbeitet. Die Folge: Risse, die sich von einigen Millimetern auf mehrere Zentimeter ausbreiteten. Der Nachbar verlangte 20.000 Euro Schadensersatz - und bekam Recht. Die Baufirma haftete, aber nur, weil sie die Arbeiten unsachgemäß durchgeführt hatte. Der Bauherr war hier nicht haftbar - weil er sich auf den fachlich kompetenten Unternehmer verlassen konnte.Aber das ist die Ausnahme. In den meisten Fällen haften Sie mit. Das OLG München entschied 2018: Wenn ein Bauherr sieht, dass die Baustelle unzureichend gesichert ist - etwa nur mit einer Flatterleine - und er nichts unternimmt, dann ist er mitverantwortlich. In diesem Fall war der Hof abends von Anwohnern und Restaurantmitarbeitern frequentiert, aber nicht beleuchtet. Eine Flatterleine reichte nicht. Ein fester Bauzaun mit Fundament und Beleuchtung hätte gefehlt. Der Bauherr hätte prüfen müssen, ob die Sicherung ausreicht. Er hat es nicht getan. Deshalb: Haftung.
Die größten Haftungsfallen - und wie Sie sie vermeiden
- Unzureichende Baustellensicherung: Ein Bauzaun muss mindestens 2 Meter hoch sein, stabil verankert und bei Dunkelheit beleuchtet. Flatterleinen, Holzplanken oder abgeknickte Zäune zählen nicht. In Wohngebieten ist das Standard. Nichts anderes akzeptiert ein Gericht.
- Schäden an Nachbargebäuden: Tiefbauarbeiten, Bohrungen, Rammarbeiten - all das kann Grundwasser verschieben, Fundamente lockern, Wände reißen. Vorher ein geotechnisches Gutachten machen? Ja. Setzungsmessungen durchführen? Ja. Wer das nicht tut, haftet - selbst wenn das Nachbarhaus schon vorher Risse hatte. Die Vergrößerung der Risse durch Ihre Arbeiten macht Sie verantwortlich.
- Scheinselbstständige: Ein „Freiberufler“ kommt jeden Tag zur Baustelle, arbeitet mit Ihren Werkzeugen, folgt Ihren Anweisungen, ist aber nicht versichert? Dann ist er kein Selbstständiger - er ist ein heimlicher Angestellter. Und Sie haften für die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge. Das kann bis zu 5 Jahre Freiheitsstrafe bedeuten. Die Finanzämter prüfen Baustellen intensiv: Von 2018 bis 2022 stiegen die Ermittlungsverfahren wegen Sozialversicherungsbetrug um 44 %. Sie müssen prüfen, ob die von Ihnen beauftragten Handwerker wirklich selbstständig sind. Fragwürdig ist es, wenn jemand nur für Sie arbeitet, keine eigene Firma hat oder keine eigene Versicherung.
- Feuer- und Brandschutzrisiken: Bei Sanierungen von Altbauten, besonders bei Dämmmaßnahmen, entstehen oft Brandschutzmängel. Eine falsch verlegte Dämmung, ein ungeprüfter Elektroanschluss - das kann später zu einem Großbrand führen. Auch hier haften Sie, wenn Sie nicht darauf geachtet haben, dass die Arbeiten nach den aktuellen Brandschutzvorschriften erfolgen.
Welche Versicherungen brauchen Sie wirklich?
Die einzige Versicherung, die Sie als Bauherr wirklich brauchen, ist die Bauherrenhaftpflichtversicherung. Sie deckt Schäden an Dritten ab - also Personen, die auf Ihrer Baustelle verletzt werden, oder Nachbarn, deren Gebäude beschädigt werden. Sie zahlt auch, wenn ein Passant auf einem ungesicherten Weg stürzt oder ein Baum auf das Nachbarhaus fällt. Laut dem GDV nutzen 78 % der privaten Bauherren diese Versicherung. Bei Gewerbebauten ist sie fast immer Pflicht.
Die Kosten? Für ein Einfamilienhaus liegen sie bei 0,3 % bis 0,5 % der gesamten Baukosten. Das heißt: Bei einem Haus für 300.000 Euro zahlen Sie zwischen 900 und 1.500 Euro pro Jahr - oft nur für die Bauzeit. Das ist wenig, wenn man bedenkt, dass ein einziger Unfall oder ein Schaden am Nachbarhaus leicht 50.000 Euro oder mehr kosten kann.
Wichtig: Prüfen Sie den Versicherungsvertrag genau. Viele Policen schließen Sanierungen von Altbauten, Dachausbauten oder Sonderkonstruktionen aus. Wenn Sie ein Haus aus den 1950ern sanieren, fragen Sie extra nach: „Ist das in meiner Versicherung abgedeckt?“ Sonst haben Sie eine Lücke - und die zahlt später Sie.
Zusätzlich empfehlen wir eine Rechtsschutzversicherung für Bauvorhaben. Sie zahlt die Anwaltskosten, wenn Sie wegen einer Baustelle verklagt werden. Und eine Bauleistungsversicherung, falls die Baufirma pleitegeht oder die Arbeiten nicht fertig werden. Beides ist kein Luxus - es ist Vorsorge.
Was Sie als Bauherr aktiv tun können
Die Versicherung ist wichtig - aber sie ersetzt nicht Ihre eigene Verantwortung. Sie müssen prüfen. Sie müssen nachfragen. Sie müssen sehen, was vor Ort passiert.
- Beobachten Sie die Baustelle mindestens einmal pro Woche. Gehen Sie hin. Sehen Sie, wie gesichert ist. Ist der Zugang beleuchtet? Sind Gruben abgedeckt? Liegen Werkzeuge auf dem Boden?
- Fragen Sie den Bauleiter: „Welche Sicherheitsmaßnahmen sind hier vorgeschrieben?“ Fordern Sie Fotos oder Dokumente an. Heute helfen Drohnen, die Baustelle von oben zu überprüfen - ein einfacher Weg, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.
- Prüfen Sie die Unterlagen der Handwerker: Haben sie eine Betriebshaftpflichtversicherung? Ist sie aktuell? Wer ist der Versicherer? Fragen Sie nach dem Versicherungsschein - nicht nur nach dem Wort.
- Vermeiden Sie „Freunde“ oder „Kumpels“, die als Handwerker auftreten. Wenn jemand keine Rechnung mit Umsatzsteuer ausstellt, keine Gewerbeanmeldung hat, keine Berufsgenossenschaftsversicherung - dann ist das ein Warnsignal.
Ein Beispiel: Ein Handwerker kommt mit einer Leiter, die nur mit einer Flatterleine gesichert ist. Sie sagen nichts. Ein Tag später fällt jemand. Die Versicherung zahlt - aber nur, weil Sie nicht nachgefragt haben. Die Versicherung kann dann von Ihnen Regress verlangen. Sie müssen also nicht nur die Versicherung haben - Sie müssen auch verantwortungsvoll handeln.
Was passiert, wenn Sie nichts tun?
Sie denken: „Ich bin doch kein Profi. Ich verstehe das nicht.“ Aber das ist keine Entschuldigung. Gerichte erwarten von Bauherren, dass sie vernünftig handeln. Wenn Sie nichts tun, können Sie persönlich zur Kasse gebeten werden. Die Sozialversicherungsträger können Sie zur Zahlung von 10.000 Euro oder mehr verpflichten - nur weil Sie einen „Selbstständigen“ beauftragt haben, der eigentlich ein Angestellter war. Die Finanzbehörden können Bußgelder verhängen. In schweren Fällen droht sogar eine Haftstrafe.
Und die Schadenssummen? Ein Unfall mit bleibenden Folgen kann 200.000 Euro oder mehr kosten. Ein Schaden am Nachbarhaus: 50.000 bis 150.000 Euro. Eine Rechtsstreitigkeit: 10.000 bis 30.000 Euro an Anwaltskosten - nur für die Verteidigung.
Es ist nicht teuer, sich abzusichern. Es ist teuer, es nicht zu tun.
Kann ich mich durch einen Vertrag mit dem Bauunternehmer von meiner Haftung befreien?
Nein. Selbst wenn Ihr Vertrag sagt, dass der Unternehmer alle Haftungen übernimmt, bleibt Ihre Verkehrssicherungspflicht bestehen. Gerichte entscheiden immer nach dem Gesetz - nicht nach Verträgen. Sie können die Haftung nicht komplett abgeben, sondern nur mitverantwortlich machen. Wenn Sie die Sicherung nicht kontrollieren, haften Sie mit.
Brauche ich eine Bauherrenhaftpflichtversicherung, wenn ich selbst baue?
Ja. Selbst wenn Sie selbst arbeiten - etwa als Handwerker - und keine Firma haben, haften Sie als Bauherr für Dritte. Wenn ein Besucher auf Ihrer Baustelle stürzt, zahlt Ihre Privathaftpflicht nicht. Nur eine Bauherrenhaftpflichtversicherung deckt das ab. Sie ist notwendig, egal ob Sie bauen lassen oder selbst bauen.
Was ist, wenn ein Nachbar schon vorher Schäden an seinem Haus hatte?
Das ändert nichts. Wenn Ihre Bauarbeiten die Schäden verschlimmern - etwa indem Risse weiter aufreißen - haften Sie. Gerichte prüfen nicht, ob der Schaden schon da war, sondern ob Ihre Tätigkeit ihn verschlimmert hat. Das ist ein entscheidender Punkt: Ihre Handlung hat den Schaden verursacht - auch wenn er nur vergrößert wurde.
Wie erkenne ich einen Scheinselbstständigen?
Ein Scheinselbstständiger arbeitet wie ein Angestellter, aber ohne Versicherung. Merkmale: Er arbeitet nur für Sie, kommt täglich zur Baustelle, nutzt Ihre Werkzeuge, folgt Ihren Anweisungen, hat keine eigene Kundenbasis, keine eigene Buchhaltung, keine Gewerbeanmeldung. Wenn das zutrifft, ist er kein Selbstständiger - und Sie haften für die fehlenden Sozialversicherungsbeiträge.
Ist eine Baustellensicherung mit einer Flatterleine ausreichend?
Nein. Eine Flatterleine ist kein Sicherheitszaun. Sie ist ein Zeichen von Nachlässigkeit. Gerichte sehen das als unzureichend an, besonders in Wohngebieten, bei öffentlichem Zugang oder bei Dunkelheit. Mindestens ein 2 Meter hoher, stabiler Bauzaun mit Fundament und Beleuchtung ist die Norm. Wer das nicht einhält, haftet - auch wenn er denkt, er hätte „genug“ getan.