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DIN 18040: So wird Ihr Einfamilienhaus barrierefrei nach Standard


DIN 18040: So wird Ihr Einfamilienhaus barrierefrei nach Standard
Nov, 18 2025

Wenn Sie ein Einfamilienhaus bauen oder sanieren, fragen Sie sich vielleicht: Warum sollte ich barrierefrei bauen? Es ist doch kein Rollstuhlfahrer in der Familie. Doch was, wenn Ihre Eltern alt werden? Was, wenn Sie selbst im Alter nicht mehr so gut zu Fuß sind? Oder wenn ein Gast mit einem Gehstock oder einem Kinderwagen kommt? Die DIN 18040 ist nicht nur eine technische Norm - sie ist eine Vorsorge für Ihr ganzes Leben.

Was genau ist die DIN 18040?

DIN 18040 ist die deutsche Norm für barrierefreies Bauen. Sie ist nicht ein einziges Dokument, sondern ein System aus drei Teilen. Teil 1 gilt für öffentliche Gebäude wie Schulen oder Ämter. Teil 3 für Straßen, Parks und Haltestellen. Und Teil 2 - das ist für Sie relevant - regelt, wie Wohnungen, also auch Ihr Einfamilienhaus, barrierefrei werden sollen.

Die Norm wurde nicht von irgendwem erfunden, sondern von Experten des Normenausschusses Bauwesen, die jahrelang mit Menschen mit Behinderungen gesprochen haben. Sie berücksichtigt nicht nur Rollstuhlfahrer, sondern auch Menschen mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen, kognitiven Einschränkungen, ältere Menschen, Kinder oder Eltern mit Kinderwagen. Es geht nicht um Sonderlösungen, sondern darum, dass jeder - ohne fremde Hilfe - einfach und sicher durch sein Zuhause kommen kann.

Mindeststandard oder vollständig barrierefrei?

DIN 18040-2 unterscheidet zwei Stufen. Der Mindeststandard ist der absolute Grund, den jedes neue Haus erfüllen muss. Der R-Standard (für Rollstuhlnutzung) ist der vollständige, echte Barrierefreiheitsstandard.

Beim Mindeststandard müssen Sie:

  • Den Haupteingang stufen- und schwellenlos gestalten - also ohne Treppen oder kleine Stufen am Türschwelle
  • Eine lichte Türbreite von mindestens 90 cm haben - das ist der Platz, den man durchmessen muss, nicht die Tür selbst
  • Türdrücker so montieren, dass sie mit einer Hand bedienbar sind - kein Drehknopf, keine Kugelgriffe
  • Die Türhöhe mindestens 205 cm hoch machen - sonst stößt man sich den Kopf, besonders wenn man einen Rollator nutzt

Der R-Standard geht viel weiter. Hier brauchen Sie:

  • Eine Türbreite von mindestens 150 cm - das ist der Platz, den ein Rollstuhl braucht, um sich drehen zu können
  • Flure und Räume, die mindestens 150 cm breit sind - sonst wird der Rollstuhl zur Falle
  • Eine Wendefläche von 150 x 150 cm in jedem Raum - damit Sie sich im Rollstuhl komplett drehen können
  • Sanitärräume, die so groß sind, dass ein Rollstuhl problemlos um die Toilette und die Dusche herumkommt
  • Handläufe an der Toilette und in der Dusche, die stabil genug sind, um sich daran festzuhalten

Und das ist nur die Oberfläche. Die Norm sagt auch, wie hell es sein muss, wie Kontraste zwischen Boden und Wand aussehen sollen, damit Sehbehinderte sich orientieren können. Und wie Lautsprecher an der Tür installiert werden müssen, damit Gehörlose den Besuch hören können - ohne Klingel.

Rechtlich verbindlich? Das hängt vom Bundesland ab

DIN 18040 ist keine Gesetzesnorm. Sie ist eine technische Richtlinie. Ob sie für Sie verpflichtend ist, entscheiden die Landesbauordnungen. In einigen Bundesländern ist sie schon Standard, in anderen nur Empfehlung.

In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ist DIN 18040-2 in der Bauordnung verankert. Das bedeutet: Wenn Sie ein neues Einfamilienhaus bauen, müssen Sie sie einhalten. In Nordrhein-Westfalen gilt sie seit Januar 2023 sogar für alle Wohngebäude mit bis zu zwei Wohneinheiten - also auch für Ihr Einfamilienhaus. In anderen Bundesländern ist sie nicht zwingend, aber die Bauaufsicht prüft sie trotzdem. Warum? Weil sie als Maßstab gilt.

Wenn Sie die Norm nicht einhalten, bekommen Sie keine Baugenehmigung. Oder Sie bauen ein Haus, das später schwer zu verkaufen ist. Denn immer mehr Käufer suchen genau nach diesem Standard.

Familie in einem barrierefreien Zuhause: älterer Mensch mit Rollator, Kinderwagen und Lichtsignal an der Tür.

Wie viel kostet das?

Ein Mythos: Barrierefreies Bauen ist teuer. Stimmt - aber nur, wenn man es falsch macht.

Wenn Sie von Anfang an nach DIN 18040-2 planen, erhöht sich der Baukosten um durchschnittlich 5 bis 8 Prozent. Das ist weniger, als viele denken. Die meisten Mehrkosten kommen von:

  • Größeren Räumen - ein Flur mit 150 cm statt 90 cm Breite braucht mehr Platz
  • Speziellen Türen und Beschlägen - 150-cm-Türen kosten mehr als 80-cm-Türen
  • Sanitäranlagen - eine rollstuhlgerechte Dusche ist teurer als eine normale

Aber: Wenn Sie später nachrüsten, wird es viel teurer. Eine Studie der Deutschen Rentenversicherung zeigt: Nachrüstungen im Alter kosten durchschnittlich 38.500 Euro mehr als vorausschauendes Bauen. Das ist der Preis, den Sie zahlen, wenn Sie nicht jetzt planen.

Und es gibt einen weiteren Vorteil: Barrierefreie Häuser halten ihren Wert besser. Eine Umfrage unter 347 Hauskäufern ergab: 78 Prozent würden bis zu 10 Prozent mehr bezahlen, wenn das Haus nach DIN 18040-2 gebaut ist. Das ist kein Luxus - das ist Investition.

Was viele vergessen: Die Zukunft ist flexibel

Sie brauchen jetzt keinen Rollstuhl. Aber vielleicht in zehn Jahren. Deshalb ist es klug, nicht nur den Mindeststandard zu bauen, sondern auch vorzubereiten.

Das heißt: Verlegen Sie in den Wänden der Dusche und am WC elektrische Leitungen - für späteren Einbau von Lifts oder Höhenverstellbaren Waschtischen. Installieren Sie Stromanschlüsse in der Nähe der Türen - für spätere Türöffner mit Fernbedienung. Bauen Sie in die Decke Halterungen für späteren Einbau von Lichtleisten oder Sicherheitsgriffe ein.

Das kostet jetzt nur ein paar Hundert Euro - aber spart später Tausende. Und es macht Ihr Haus für jede Lebensphase bereit. Ein Haus, das mit Ihnen wächst - nicht gegen Sie arbeitet.

Was ist mit kognitiven Einschränkungen?

Die DIN 18040-2 ist gut - aber nicht perfekt. Experten kritisieren, dass sie kognitive Einschränkungen, wie bei Demenz oder Autismus, noch nicht ausreichend berücksichtigt. Das ändert sich gerade. Die Norm wird 2025 überarbeitet - mit mehr Fokus auf klare Orientierung, einfache Bedienung und reduzierte Reizüberflutung.

Was Sie jetzt tun können: Vermeiden Sie zu viele verschiedene Bodenbeläge. Nutzen Sie einheitliche Farben. Machen Sie Schalter und Griffe groß und kontrastreich. Vermeiden Sie spiegelnde Flächen, die Verwirrung erzeugen. Und planen Sie einen klaren Weg durch das Haus - ohne Sackgassen oder Türen, die wie Zufallsöffnungen wirken.

Das ist kein Luxus. Das ist Menschlichkeit.

Vergleich eines traditionellen und barrierefrei umgebauten Einfamilienhauses mit Lichtpfad als Symbol für Zukunftssicherheit.

Wie sieht die Zukunft aus?

Die EU arbeitet an einer neuen Norm: prEN 17210. Sie soll ab 2026 in ganz Europa gelten - und wird die DIN 18040 langsam ablösen. Aber: Die Grundprinzipien bleiben gleich. Barrierefreiheit ist kein Trend. Sie ist die neue Normalität.

Und sie ist kein Nischenthema mehr. 68 Prozent der deutschen Kommunen verlangen jetzt, dass mindestens 10 Prozent aller neuen Einfamilienhäuser barrierefrei gebaut werden. Das ist ein Anstieg von 22 Prozentpunkten seit 2018. Die Bauindustrie reagiert. Der Markt für barrierefreie Einfamilienhäuser wächst jährlich um 7,2 Prozent - und das wird sich bis 2027 weiter beschleunigen.

Wenn Sie heute bauen, entscheiden Sie nicht nur für sich. Sie entscheiden für Ihre Kinder, Ihre Eltern, Ihre Freunde. Und für die Gesellschaft, in der wir alle leben wollen - eine, in der niemand ausgeschlossen wird, nur weil er nicht so geht wie andere.

Was tun, wenn Sie schon bauen?

Wenn Ihr Haus schon steht, ist es nicht zu spät. Viele Maßnahmen lassen sich nachträglich einbauen:

  • Türen ersetzen - mit 90 cm oder 150 cm Breite
  • Schwelle absenken - mit Rampen oder flachen Übergängen
  • Handläufe anbringen - in Fluren, Treppen, Badezimmer
  • Stufen durch eine Treppenlift installieren
  • Beleuchtung verbessern - besonders an Treppen und Türen
  • Knöpfe und Schalter auf 85-105 cm Höhe bringen

Und wenn Sie nicht alles auf einmal schaffen: Beginnen Sie mit dem Eingang. Mit der Dusche. Mit der Toilette. Diese drei Orte sind die wichtigsten. Wenn sie barrierefrei sind, bleibt Ihr Zuhause bewohnbar - auch wenn die Mobilität nachlässt.

Wo finde ich Hilfe?

Die Deutsche Gesellschaft für barrierefreies Bauen (DGBB) bietet seit 2021 Zertifizierungen für Einfamilienhäuser an. Bis August 2023 wurden 287 Häuser zertifiziert - und die Zahl steigt. Ein Architekturbüro mit Erfahrung in DIN 18040-2 kann Ihnen helfen, die Norm richtig umzusetzen - und dabei Ihren Stil nicht zu verlieren.

Es gibt auch Fördermittel. Die KfW bietet Zuschüsse für barrierefreie Umbauten. Und in vielen Kommunen gibt es zusätzliche Förderprogramme. Frag einfach bei Ihrem Bauamt nach.

Barrierefreiheit ist kein Nachteil. Sie ist ein Vorteil. Für Sie. Für Ihre Familie. Für Ihre Zukunft.