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Leitern und Gerüste sicher nutzen: So arbeiten Sie richtig in der Höhe am Haus


Leitern und Gerüste sicher nutzen: So arbeiten Sie richtig in der Höhe am Haus
Nov, 16 2025

Stellen Sie sich vor: Sie stehen auf einer Leiter, um die Dachrinne zu reinigen. Die Leiter wackelt ein bisschen, Sie greifen nach dem Eimer - und plötzlich verlieren Sie das Gleichgewicht. Das passiert öfter, als man denkt. Jedes Jahr stürzen Tausende Menschen in Deutschland von Leitern ab - oft mit schweren Verletzungen. Die gute Nachricht: Diese Unfälle sind vermeidbar. Es geht nicht darum, Leitern komplett zu verbieten. Es geht darum, sie richtig zu nutzen - und zu wissen, wann ein Gerüst oder eine Hubarbeitsbühne die bessere Wahl ist.

Warum Leitern oft die falsche Wahl sind

Viele denken: Eine Leiter ist schnell aufgebaut, günstig und passt in jeden Kofferraum. Das stimmt. Aber sie ist nicht immer sicher. Die Technische Regel für Betriebssicherheit TRBS 2121-2, die seit Dezember 2018 gilt, sagt klar: Leitern dürfen nur dann als Arbeitsplatz verwendet werden, wenn es keine sicherere Alternative gibt. Das bedeutet: Wenn Sie länger als 30 Minuten arbeiten, schweres Werkzeug mitnehmen oder über Kopf arbeiten müssen, ist eine Leiter kein geeigneter Arbeitsplatz.

Die DGUV hat herausgefunden, dass 37 % aller schweren Absturzunfälle im Bauhauptgewerbe bei der Nutzung von Leitern passieren. Und das sind nur die gemeldeten Fälle. Viele kleine Unfälle bei Heimwerkerarbeiten bleiben unerkannt. Die Ursache? Oft liegt es an der falschen Annahme, dass eine Leiter stabil genug ist - besonders wenn sie auf einem Steinweg oder Rasen steht. Selbst eine gut platzierte Leiter kann bei leichtem Wind oder einem unerwarteten Schritt nach hinten kippen.

Wann ist ein Gerüst die bessere Lösung?

Ein Gerüst ist nicht nur stabiler - es bietet auch einen sicheren Arbeitsplatz mit Geländern, Platz für Werkzeuge und eine ebene Fläche. Laut TRBS 2121-2 ist die Nutzung von Gerüsten ab einer Arbeitshöhe von fünf Metern verpflichtend, wenn die Tätigkeit länger als kurze Reparaturen dauert. Aber auch bei niedrigeren Höhen lohnt sich das Gerüst, wenn Sie mehrere Tage arbeiten oder mit schweren Materialien wie Ziegeln, Farbeimer oder Dämmplatten hantieren.

Gerüste müssen nach DIN EN 12810 und 12811 gebaut werden. Das heißt: Sie haben feste Verbindungen, sichere Fußplatten und müssen von einer befähigten Person aufgebaut werden. Für den Hausbesitzer bedeutet das: Wenn Sie ein Gerüst mieten, achten Sie auf das Prüfzeichen und den nächsten Prüftermin. Ein Gerüst ohne Prüfmarke ist kein Gerüst - es ist eine Gefahr.

Die fünf wichtigsten Regeln für Leitern

Wenn Sie trotzdem eine Leiter nutzen - etwa für eine schnelle Reparatur am Fenster - dann beachten Sie diese Regeln:

  1. Die Leiter muss 1 Meter über die Austrittsstelle hinausragen. Das ist kein Vorschlag - es ist Pflicht. So haben Sie einen sicheren Halt, wenn Sie aussteigen.
  2. Stellen Sie die Leiter nie auf losen Boden. Nutzen Sie Unterlegscheiben, Holzplatten oder spezielle Leiterfüße. Ein rutschiger Boden ist die häufigste Ursache für Unfälle.
  3. Die Leiter darf nicht als Verkehrsweg dienen. Sie ist kein Treppenersatz. Wer von einer Leiter zur anderen geht, riskiert einen Sturz - auch wenn er es „nur kurz“ macht.
  4. Prüfen Sie die Leiter vor jedem Einsatz. Risse, lose Sprossen, abgebrochene Federn - alles ist ein Ausschlusskriterium. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie sie von einer befähigten Person prüfen.
  5. Keine Arbeit auf der obersten Sprosse. Das ist nicht nur gefährlich - es ist verboten. Die oberste Sprosse ist kein Sitzplatz. Sie ist ein Sturzrisiko.
Ein professionelles Gerüst mit Geländer und Werkzeugen auf einer ebenerdigen Plattform am Haus.

Was sagt die Gesetzeslage wirklich?

Es gibt keine „Leiterverbote“. Das ist ein häufiger Irrtum. Die TRBS 2121-2 sagt: Leitern sind erlaubt - aber nur, wenn sie verhältnismäßig sind. Das bedeutet: Wenn Sie einmal im Jahr die Dachrinne reinigen und dafür nur 15 Minuten brauchen, ist eine Leiter in Ordnung. Wenn Sie aber das ganze Wochenende das Dach isolieren, ist ein Gerüst oder eine Hubarbeitsbühne die einzige richtige Wahl.

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz (BAuA) betont: Es geht nicht um Angst, sondern um Vernunft. Die Regelung wurde eingeführt, weil viele Handwerker und Heimwerker die Risiken unterschätzen. Einige untersuchen ihre Leitern nie - sie vertrauen auf „das alte Modell“, das schon 20 Jahre steht. Das ist kein Sparmodell - das ist ein Risiko.

Was kostet eine sichere Lösung?

Ein einfaches Gerüst für ein Einfamilienhaus mieten Sie ab 80 Euro pro Tag. Eine Hubarbeitsbühne mit 6 Metern Höhe kostet etwa 120-180 Euro pro Tag. Klingt teuer? Vergleichen Sie das mit den Kosten eines Unfalls: Eine schwere Verletzung kann bis zu 20.000 Euro an medizinischen und rehabilitativen Kosten verursachen - und das ohne Berücksichtigung von Verdienstausfall oder Schadensersatzansprüchen.

Die Nachfrage nach sicheren Höhenarbeitsgeräten ist in Deutschland seit 2022 um 22 % gestiegen. Besonders beliebt sind kompakte Hubarbeitsbühnen, die in den Hof passen und mit einem normalen PKW transportiert werden können. Viele Baumärkte bieten diese heute auch mit Liefer- und Aufbau-Service an - inklusive Einweisung.

Eine intelligente Leiter mit Warnlichtern neben einer Hubarbeitsbühne, Symbol für sichere Höhenarbeit.

Praxis-Tipps von Handwerkern

Der Malermeister Klaus Müller aus Augsburg sagt: „Ich benutze jetzt immer eine Hubarbeitsbühne für Arbeiten über 3 Meter. Früher habe ich mir gesagt: ‚Das schaffe ich mit der Leiter.‘ Heute weiß ich: Ich spare keine Zeit - ich gefährde mich.“

Anna Schmidt, Malermeisterin aus Nürnberg, hat nach drei Jahren mit Hubwagen keine Absturzunfälle mehr gehabt. „Ich spare sogar Zeit. Ich kann Werkzeug und Farbe direkt auf der Plattform liegen haben - kein Hin- und Herlaufen.“

Ein Installateur aus Stuttgart berichtet: „Ich habe mir eine Alu-Leiter mit seitlichen Stützen gekauft - sie ist breiter, stabiler und hat rutschfeste Sprossen. Die hat mir die DGUV empfohlen. Sie kostet etwas mehr, aber ich schlafe besser.“

Was Sie jetzt tun müssen

Sie müssen kein Experte sein, um sicher zu arbeiten. Hier ist Ihr Checkliste für den nächsten Auftrag in der Höhe:

  • Frage 1: Wie lange werde ich arbeiten? Mehr als 30 Minuten? → Gerüst oder Hubarbeitsbühne.
  • Frage 2: Trage ich schweres Werkzeug oder Material? → Gerüst oder Hubarbeitsbühne.
  • Frage 3: Ist der Boden rutschig, uneben oder weich? → Keine Leiter. Unterlage oder Gerüst.
  • Frage 4: Ist die Leiter intakt? Prüfmarke da? Letzte Prüfung vor weniger als 12 Monaten? → Sonst nicht benutzen.
  • Frage 5: Bin ich allein? → Niemals allein auf einer Leiter arbeiten. Jemand muss in Reichweite sein, um im Notfall zu helfen.

Wenn Sie unsicher sind: Fragen Sie einen Fachmann. Die lokale Gewerbeaufsicht bietet kostenlose Beratung an. Viele Handwerkskammern veranstalten auch kostenlose Sicherheitsschulungen für Heimwerker - oft mit praktischen Übungen.

Was kommt als Nächstes?

Bis 2027 sollen KI-gestützte Systeme die Gefährdungsbeurteilung unterstützen - etwa durch Apps, die mit der Kamera erkennen, ob eine Leiter richtig aufgestellt ist. Das klingt nach Zukunftsmusik, aber die Technik ist da. Die BAuA testet bereits Pilotprojekte mit Smart-Leitern, die bei falscher Neigung einen Alarm auslösen.

Die Zukunft der Arbeitssicherheit ist nicht das Verbot von Leitern - sondern die Verantwortung dafür, sie nur dann zu nutzen, wenn es wirklich nötig ist. Und wenn es nötig ist: dann richtig.

Darf ich eine Leiter noch für kleine Reparaturen am Haus nutzen?

Ja, aber nur, wenn die Arbeit kurz ist - maximal 30 Minuten - und keine schweren Werkzeuge oder Materialien mitgeführt werden. Die Leiter muss standsicher aufgestellt sein, mindestens 1 Meter über die Austrittsstelle hinausragen und darf nicht als Verkehrsweg dienen. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie sich: „Könnte ich das auch mit einem Gerüst machen?“ Wenn die Antwort ja ist, dann nehmen Sie das Gerüst.

Was passiert, wenn ich eine nicht geprüfte Leiter verwende?

Wenn Sie als Privatperson eine Leiter nutzen, drohen keine Bußgelder. Aber wenn Sie als Handwerker oder Gewerbetreibender eine nicht geprüfte Leiter verwenden, können die Gewerbeaufsichtsämter Bußgelder bis zu 5.000 Euro verhängen. Und im Falle eines Unfalls können Sie haftbar gemacht werden - auch wenn Sie nur für Ihren eigenen Haushalt arbeiten. Versicherungen weigern sich oft, Schäden zu übernehmen, wenn die Sicherheitsvorschriften missachtet wurden.

Ist eine Holzleiter sicherer als eine Metallleiter?

Nein. Die Materialart macht nicht den Unterschied - die Bauart und der Zustand schon. Eine alte, beschädigte Holzleiter ist gefährlicher als eine neue, geprüfte Aluminiumleiter. Holz kann feucht werden, brüchig werden oder Schimmel ansetzen. Metallleitern sind leichter, korrosionsbeständig und oft mit rutschfesten Sprossen ausgestattet. Wichtig ist: Beide müssen den DIN-Normen entsprechen und geprüft sein.

Wie erkenne ich eine geprüfte Leiter?

Suchen Sie nach einem Prüfzeichen - meist ein Stempel oder ein Etikett mit einem Prüfdatum und dem nächsten Prüftermin. Das Zeichen muss klar lesbar sein und an der Leiter befestigt sein. Gute Hersteller wie Zarges, BILLY, oder Fakro kennzeichnen ihre Leitern mit einem QR-Code, der zur Prüfbescheinigung führt. Wenn Sie eine gebrauchte Leiter kaufen, fragen Sie nach dem Prüfprotokoll. Ohne Nachweis: Nicht benutzen.

Was ist mit Leitern in der Wohnung - zum Beispiel zum Wechseln der Lichter?

In der Wohnung gelten die gleichen Sicherheitsregeln - nur dass die Aufsichtsbehörden nicht kontrollieren. Trotzdem: Nutzen Sie keine Leitern, wenn Sie stattdessen einen Stuhl oder eine Trittleiter nehmen können. Eine Trittleiter mit Geländer ist viel sicherer als eine gerade Leiter. Und wenn Sie über Kopf arbeiten, halten Sie sich immer an etwas fest. Auch im Haus gilt: Sicherheit geht vor Schnelligkeit.