Wenn du eine Immobilie kaufst oder umbaust, wirst du früher oder später mit dem Begriff Grundschuld konfrontiert. Sie ist der Standard, den fast jede Bank in Deutschland verlangt - und doch verstehen nur wenige, was sie wirklich bedeutet. Viele glauben, sie sei ein einfaches Pfandrecht, das mit der letzten Tilgung verschwindet. Das ist falsch. Die Grundschuld bleibt, solange sie nicht aktiv gelöscht wird. Und das kann teuer werden.
Was ist eine Grundschuld wirklich?
Die Grundschuld ist kein Darlehen, sondern eine Sicherheit. Sie wird im Grundbuch eingetragen und gibt der Bank das Recht, deine Immobilie zu verkaufen, wenn du deine Kreditraten nicht mehr zahlen kannst. Sie ist kein temporäres Recht wie eine Hypothek, die nur so lange besteht, wie das Darlehen läuft. Die Grundschuld bleibt bestehen - auch nachdem du den Kredit komplett zurückgezahlt hast. Sie ist ein dingliches Recht, das an die Immobilie gekoppelt ist, nicht an den Kredit.
Im Gegensatz zur Hypothek, die exakt dem aktuellen Kreditstand entspricht, wird die Grundschuld auf einen festen Betrag eingetragen - meist dem vollen Darlehensbetrag. Bei einem Kredit von 200.000 Euro steht im Grundbuch also 200.000 Euro, auch wenn du schon 100.000 Euro getilgt hast. Das klingt erstmal übertrieben, hat aber einen klaren Vorteil: Du kannst später ohne neue Notargebühren weitere Kredite aufnehmen, weil die Sicherheit bereits da ist.
Warum nutzen 80 % aller Banken die Grundschuld?
Die Zahlen sprechen für sich: Laut Commerzbank (2023) wird in 80 Prozent aller deutschen Immobilienkredite eine Grundschuld verwendet. Nur 20 Prozent greifen auf die klassische Hypothek zurück. Warum? Weil sie für die Banken einfacher und günstiger ist.
Bei einer Hypothek musst du bei jedem neuen Kredit - egal ob für eine Modernisierung oder einen weiteren Bauabschnitt - den gesamten Eintrag neu machen. Das kostet zwischen 1.500 und 2.500 Euro pro Eintrag. Bei einer Grundschuld musst du das nicht tun. Du nutzt die bestehende Sicherheit, und die Bank kann dir einfach mehr Geld leihen, ohne neue Kosten zu verursachen. Das spart dir im Laufe der Jahre Tausende.
Außerdem sind die Zinsen bei Grundschulden niedriger. Weil das Risiko für die Bank geringer ist, bekommst du typischerweise 0,5 bis 1,0 Prozentpunkte günstigere Konditionen als bei ungesicherten Krediten. Bei einem 300.000-Euro-Darlehen über 20 Jahre sind das über 20.000 Euro Einsparung - eine Summe, die viele als Nebenkosten ignorieren, bis es zu spät ist.
Die zwei Formen: Brief- und Buchgrundschuld
Es gibt zwei Arten von Grundschulden: die Briefgrundschuld und die Buchgrundschuld. Die Briefgrundschuld war früher die Standardform. Sie wurde als physisches Dokument - ein sogenannter Grundschuldbrief - ausgestellt, den die Bank aufbewahrte. Das war riskant: Verliert man den Brief, verliert man die Sicherheit.
Seit 2021 wird die Briefgrundschuld abgeschafft. Bis zum 31. Dezember 2025 läuft eine Übergangsfrist. Danach gibt es nur noch die Buchgrundschuld - digital, im Grundbuch eingetragen, ohne Papier. Das ist sicherer, schneller und transparenter. Die Eintragung erfolgt jetzt elektronisch, was die Bearbeitungszeit von sechs auf vier Wochen reduziert hat.
Die Buchgrundschuld ist nicht nur moderner, sie ist auch flexibler. Du kannst sie in mehreren Rängen eintragen - Erstrang, Zweitrang, sogar Drittrang. Das ist wichtig, wenn du mehrere Kredite auf einer Immobilie hast, etwa einen Baukredit und einen späteren Modernisierungskredit.
Was bedeutet Rangfolge - und warum sie dein Geld beeinflusst
Wenn du eine Immobilie mit zwei Krediten finanzierst, dann gibt es einen Erstrang und einen Zweitrang. Der Erstrang hat Vorrang. Wenn du zahlungsunfähig wirst und die Immobilie versteigert wird, bekommt die Bank mit dem Erstrang zuerst ihr Geld. Erst danach zahlt die Zweitrangige Bank.
Die Deutsche Bundesbank (2022) empfiehlt, dass der Erstrang nicht mehr als 60 Prozent des Immobilienwerts betragen sollte. Der Zweitrang kann bis zu 80 Prozent erreichen - aber nur, wenn der Erstrang niedrig ist. Beispiel: Eine Wohnung ist 150.000 Euro wert. Der Beleihungswert (der Wert, den die Bank als Sicherheit akzeptiert) liegt bei 120.000 Euro (20 % Abschlag). Der Erstrang darf also maximal 72.000 Euro betragen, der Zweitrang bis zu 96.000 Euro. Zusammen sind das 168.000 Euro - mehr als der tatsächliche Wert. Das ist riskant. Wenn die Immobilie später nur noch 130.000 Euro wert ist, bleibt der Zweitrang ungedeckt. Die Bank verliert Geld. Und du? Du hast eine hohe Belastung und keine Reserven.
Die BaFin warnt seit 2024: Überschreitest du die 75-Prozent-Grenze der Beleihung, steigt das Risiko für dich und das gesamte Finanzsystem. Viele Banken reagieren bereits mit höheren Zinsen für Zweitrangige Grundschulden. Einige verlangen sogar eine zusätzliche Sicherheit - etwa eine Lebensversicherung oder einen Bürgen.
Die größte Falle: Die Löschung
Die größte Überraschung kommt nach der Rückzahlung. Du hast den Kredit abbezahlt. Du denkst: Alles erledigt. Aber die Grundschuld steht immer noch im Grundbuch. Sie verschwindet nicht von allein. Du musst sie aktiv löschen lassen - sonst bleibt sie als sogenannte Eigentümergrundschuld bestehen. Und das ist ein Problem.
Wenn du deine Immobilie verkaufen willst, muss der Käufer wissen: Steht noch eine Grundschuld drauf? Wenn ja, muss sie gelöscht werden, bevor der Kaufvertrag unterschrieben wird. Aber wer macht das? Die Bank. Und viele Banken sind langsam. Sie verschicken die Löschungsbewilligung erst, wenn sie den letzten Zahlungseingang bestätigt haben - und das kann Monate dauern.
Nutzer auf Finanzfrage.net berichten von Löschungszeiten von 8 bis 12 Wochen. Einige warten sogar drei Monate. In der Zwischenzeit kann der Verkauf nicht abgeschlossen werden. Und du zahlst weiterhin Notarkosten: 385 Euro und mehr, nur für die Löschung - obwohl du den Kredit längst bezahlt hast.
Profi-Tipp: Fordere die Löschung direkt nach der letzten Rate an. Nicht nach der letzten Zahlung, sondern direkt danach. Schicke eine schriftliche Aufforderung an deine Bank - per Einschreiben. Und halte die Bestätigung der Rückzahlung bereit. Wenn die Bank zögert, nimm den Notar mit ins Boot. Er kann die Löschung beschleunigen.
Wann ist eine Grundschuld sinnvoll - und wann nicht?
Die Grundschuld ist ideal, wenn du:
- langfristig planst (z. B. 20-30 Jahre Laufzeit)
- mit weiteren Investitionen rechnest (Sanierung, Anbau, Solaranlage)
- die Zinsen minimieren willst
- keine schnellen Wechsel der Finanzierung planst
Sie ist weniger geeignet, wenn du:
- innerhalb von 5-10 Jahren verkaufen willst
- die Immobilie als kurzfristige Kapitalanlage siehst
- die Löschungskosten als unangenehme Überraschung empfindest
- in einer Region mit stark schwankenden Preisen lebst (z. B. Großstädte mit Überhitzung)
Wenn du planst, die Immobilie in 8 Jahren zu verkaufen, frag dich: Brauche ich die Flexibilität? Oder ist es einfacher, eine Hypothek zu nehmen, die mit dem Kredit endet? Manche Kreditinstitute bieten heute Hybridmodelle an: eine Grundschuld mit automatischer Löschung nach 10 Jahren. Frag danach.
Was Experten sagen - und was du nicht ignorieren solltest
Prof. Dr. Christiane Wendehorst von der Universität Wien nennt die Grundschuld ein „universelles Sicherungsinstrument“. Sie ist flexibel - für Baukredite, Betreibungsverfahren, sogar für Unternehmenskredite. Aber Prof. Dr. Markus Roth von der Goethe-Universität Frankfurt warnt: „Die Digitalisierung hat die Rechtssicherheit nicht vollständig gelöst.“ Besonders bei grenzüberschreitenden Transaktionen - etwa wenn du eine Immobilie in Deutschland kaufst, aber im Ausland arbeitest - kann die Buchgrundschuld zu Unsicherheiten führen.
Dr. Thomas Gischel vom Deutschen Institut für Urbanistik sagt klar: „Bei steigenden Zinsen und fallenden Preisen könnten bis zu 12 Prozent der Grundschulden in Deutschland in den nächsten drei Jahren problematisch werden.“ Das bedeutet: Wenn du 80 Prozent deiner Immobilie belihst und die Preise um 15 Prozent fallen, bist du unter Wasser. Du kannst nicht verkaufen, ohne Geld zu verlieren. Und du kannst nicht refinanzieren, weil die Bank nicht mehr genug Sicherheit sieht.
Die Empfehlung der Deutschen Bundesbank (März 2024) ist klar: Bleib unter 75 Prozent Beleihung. Das ist kein Gesetz - aber eine kluge Grenze. Und sie schützt dich vor dem, was viele erst spät erkennen: dass die Grundschuld nicht nur dein Vorteil ist, sondern auch deine Last.
Was du jetzt tun solltest
Wenn du gerade einen Immobilienkredit suchst:
- Frage nach der Grundschuld - nicht nach der Hypothek. Die meisten Banken bieten sie standardmäßig an.
- Frage nach dem eingetragenen Betrag. Soll er wirklich dem vollen Kredit entsprechen? Oder kann er niedriger sein? Manche Banken erlauben eine Unterverbeitung - das reduziert die Löschungskosten später.
- Frage nach der Rangfolge. Willst du nur einen Kredit? Dann ist Erstrang ausreichend. Willst du später noch einen Kredit aufnehmen? Dann kläre, ob Zweitrang möglich ist - und was das für Zinsen bedeutet.
- Frage nach der Löschung. Wie lange dauert sie? Wer kümmert sich darum? Und was kostet sie? Schreibe das in den Vertrag.
- Halte deine Unterlagen. Die Bestätigung der vollständigen Tilgung ist dein wichtigster Schutz. Bewahre sie auf - digital und physisch.
Die Grundschuld ist kein Monster. Sie ist ein Werkzeug. Und wie jedes Werkzeug: Wer sie kennt, nutzt sie geschickt. Wer sie ignoriert, zahlt dafür.
Ist die Grundschuld dasselbe wie eine Hypothek?
Nein. Eine Hypothek ist an ein konkretes Darlehen gebunden und verschwindet, sobald du es zurückgezahlt hast. Die Grundschuld ist ein eigenständiges Recht, das im Grundbuch bleibt - auch nach der Rückzahlung. Sie ist flexibler, aber auch komplexer. Banken bevorzugen sie, weil sie keine neuen Einträge brauchen, wenn du später noch Geld brauchst.
Kann ich die Grundschuld einfach löschen, wenn ich den Kredit bezahlt habe?
Nein. Du musst die Löschung aktiv beantragen. Die Bank muss dir eine Löschungsbewilligung ausstellen. Danach muss ein Notar die Löschung beim Grundbuchamt einreichen. Das dauert oft 8-12 Wochen. Wenn du das nicht tust, bleibt die Grundschuld bestehen - und du kannst deine Immobilie nicht ohne Probleme verkaufen.
Was kostet die Grundschuld?
Die Kosten liegen bei etwa 1,5-2,0 Prozent des Grundschuldbetrags für den Notar und 0,2-0,3 Prozent für das Grundbuchamt. Bei einem 200.000-Euro-Darlehen sind das 3.400 bis 4.600 Euro. Das ist mehr als bei einer Hypothek - aber du sparst später, wenn du weitere Kredite brauchst. Die Löschung kostet extra: etwa 300-400 Euro.
Warum wird die Grundschuld immer beliebter?
Weil sie für Banken günstiger ist und für Kreditnehmer Zinsvorteile bringt. Seit 2021 wird die Briefgrundschuld abgeschafft, und die digitale Buchgrundschuld ist schneller, sicherer und flexibler. Die Marktanteile steigen: 2023 hatte sie 78,4 Prozent, bis 2030 wird sie auf 85 Prozent wachsen, so die Prognose des Instituts für Finanzdienstleistungen.
Was passiert mit der Grundschuld, wenn ich die Immobilie verkaufe?
Die Grundschuld bleibt nicht am Haus hängen. Sie wird gelöscht, bevor der Kaufvertrag abgeschlossen wird. Der neue Eigentümer bekommt eine Immobilie ohne Belastung. Du musst dafür sorgen, dass die Löschung rechtzeitig erfolgt - sonst kann der Verkauf nicht stattfinden. Der Käufer wird das verlangen. Deine Bank muss die Löschungsbewilligung rechtzeitig ausstellen.