Bevor Sie mit dem Umbau beginnen, machen Sie Fotos. Nicht nur für Instagram, sondern weil es Ihr rechtlicher Schutz ist. In Deutschland ist das systematische Fotografieren des Ist-Zustands vor, während und nach Baumaßnahmen keine Empfehlung - es ist eine Fotodokumentation für Beweissicherung, die im Gesetz verankert ist. Wer das ignoriert, riskiert nicht nur Streit mit Nachbarn oder dem Bauunternehmer, sondern auch hohe Schadensersatzansprüche, die er nicht beweisen kann, abzuwehren.
Warum Fotodokumentation nicht optional ist
Die Rechtsgrundlage dafür ist klar: §3 Abs. 4 VOB/B. Diese Vorschrift, die seit dem 1. Januar 2021 gilt, verpflichtet den Bauunternehmer, den Zustand des Gebäudes und der angrenzenden Objekte vor Beginn der Arbeiten zu dokumentieren. Es geht nicht um Schönheit oder Ordnung - es geht um Beweise. Wenn nach dem Umbau Risse an der Wand auftauchen, der Boden klingt hohl oder das Fenster nicht mehr dicht ist, dann muss jemand entscheiden: Wer ist schuld? Der Bauunternehmer? Oder war das schon vorher da?Ohne Fotos ist es fast unmöglich, das zu klären. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat es 2009 klar gesagt: Bei fehlender Dokumentation wird im Zweifel angenommen, dass der Schaden bereits vor Baubeginn bestand. Das bedeutet: Wenn Sie als Bauherr keine Fotos haben, können Sie den Bauunternehmer nicht haftbar machen - selbst wenn er wirklich schuld ist.
Was genau muss fotografiert werden?
Es reicht nicht, ein paar Schnappschüsse von der Fassade zu machen. Eine rechtssichere Fotodokumentation ist präzise. Sie muss zeigen, was wirklich da ist - und zwar mit Details.- Risse: Nicht nur fotografieren, sondern messen. Breite in Millimetern, Länge, Verlauf - alles dokumentieren. Ein Riss von 0,5 mm ist anders als einer von 5 mm.
- Putzablösungen: Wo löst sich der Putz? An der Decke? An den Ecken? Mit welcher Fläche?
- Boden- und Wandbeläge: Sind Fliesen locker? Hat der Laminatboden Unebenheiten? Ist der Teppich verformt?
- Fenster, Türen, Rollläden: Funktionieren sie noch? Öffnen und schließen Sie sich reibungslos? Gibt es Luftzug?
- Leitungen und Anlagen: Sind Heizkörper beschädigt? Funktioniert die Klimaanlage? Sind Kabel sichtbar beschädigt?
- Außenanlagen: Terrassen, Wege, Zäune, Garagen, Brücken - alles, was in der Nähe des Gebäudes liegt und vom Bau beeinflusst werden könnte.
Ein Standardtext, der oft verwendet wird, lautet: „Ansonsten keine Auffälligkeiten, Schäden oder Risse im visuell einsehbaren Bereich.“ Dieser Satz ist kein Ausweichen - er ist ein rechtlicher Schutz. Er dokumentiert, dass alles, was man sehen konnte, in Ordnung war.
Analog oder digital? Die bewährte Wahl
Vor zehn Jahren war analoges Fotografieren mit einer Kamera und Film noch Standard. Heute ist das fast ausgestorben. Warum? Weil digitale Fotos mit Metadaten beweiskräftiger sind.Analoge Fotos werden in 68 % der Gerichtsverfahren als unzureichend abgelehnt. Digitale Fotos mit korrekten Metadaten - also Zeitstempel, GPS-Koordinaten, Kameramodell und Echtheitsprüfung - bestehen in 92 % der Fälle. Warum? Weil man nachweisen kann, wann und wo das Bild aufgenommen wurde. Ein Foto, das auf einem Handy mit Datum und Ort gespeichert ist, ist ein stärkerer Beweis als ein ausgedrucktes Bild aus dem Jahr 2020.
Spezialisierte Software wie PlanRadar, Sitecam oder Bimplus speichert die Fotos automatisch mit allen relevanten Daten. Sie können die Bilder nach Ort, Datum oder Schadensart durchsuchen. Ein Bauleiter kann in Sekunden alle Fotos von Rissen an der Außenwand finden - ohne in Stapeln von Papier zu wühlen.
Die Nachteile? Kosten. Eine manuelle Fotodokumentation kostet pro Projekt durchschnittlich 387,50 €. Eine digitale Lösung mit Software liegt bei 1.250 bis 2.800 €. Für kleine Sanierungen unter 100.000 € lohnt sich die Software oft nicht. Für Projekte über 500.000 € ist sie fast Pflicht - nicht nur aus rechtlichen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Denn jede Stunde, die man bei einem Streit mit Nachbarn verliert, kostet mehr als die Software.
Die größten Fehler - und wie Sie sie vermeiden
Viele Bauherren denken, Fotos sind Fotos. Das ist ein fataler Irrtum.- Fehler 1: Keine Metadaten - Wer nur Fotos macht, aber nicht sicherstellt, dass Datum, Ort und Kamera-Info mitgespeichert werden, hat nichts. Ein Foto ohne Zeitstempel ist ein leeres Blatt Papier vor Gericht.
- Fehler 2: Unvollständige Aufnahmen - Nur die sichtbaren Schäden fotografieren? Nein. Auch Bereiche, die später verdeckt werden, müssen dokumentiert werden. Unter dem Fußboden, hinter den Wänden, unter der Dachhaut - alles, was vorher sichtbar ist.
- Fehler 3: Keine Dokumentation der Aufnahmeposition - Ein Foto von einer Wand sagt nichts aus, wenn man nicht weiß, von welcher Seite, aus welcher Entfernung und mit welchem Winkel es aufgenommen wurde. Markieren Sie mit einem Zentimeterband oder einem Stift die Aufnahmeposition - oder nutzen Sie Software, die das automatisch macht.
- Fehler 4: Keine schriftliche Bestätigung - Die Fotos sind nur ein Teil. Ein schriftliches Protokoll, das von Bauherr und Bauunternehmer unterschrieben wird, ist der zweite Beweis. Es sollte beschreiben, was fotografiert wurde, wann und wer anwesend war.
Ein Bauunternehmer aus Frankfurt berichtete, wie er mit einer digitalen Fotodokumentation 18.500 € Schadensersatz verhinderte. Der Nachbar behauptete, die Risse an seiner Wand seien durch die Bauarbeiten entstanden. Doch die Fotos vom Vorher-Zustand zeigten: Die Risse waren schon da - und zwar seit mindestens drei Jahren. Der Nachbar zog seine Klage zurück.
Wie viel Zeit kostet das?
Die Kritik ist laut: „Die Fotodokumentation frisst 30 % unserer Arbeitszeit.“ Das stimmt - vor allem bei großen Projekten mit vielen angrenzenden Grundstücken. Laut einer Studie der Hochschule München verbringen Bauleiter durchschnittlich 7,2 Stunden pro Woche damit. Bei kleinen Betrieben mit unter 10 Mitarbeitern sind es sogar 32 % mehr.Doch die Zeit lohnt sich. Eine Studie von BauManager zeigt: Mit professioneller Software sinkt die Fehlerquote bei der Dokumentation um 76 %. Die Bearbeitungszeit für Schadensfälle wird um durchschnittlich 4,2 Stunden pro Fall reduziert. Das ist nicht nur Zeitersparnis - das ist Geldersparnis. Denn jede Stunde, die Sie mit einem Rechtsstreit verbringen, kostet mehr als die Software.
Die Zukunft: KI und digitale Zwillinge
Die Technik entwickelt sich schnell. PlanRadar hat im März 2023 eine KI-Funktion eingeführt, die automatisch Risse, Ablösungen und Schäden in Fotos erkennt und klassifiziert. Das reduziert die Dokumentationszeit um 40 %. Bis 2025 wird nach Prognosen von PwC mehr als die Hälfte aller deutschen Bauprojekte mit KI-gestützter Dokumentation arbeiten.Noch weiter geht das Forschungsprojekt „BauDigi“ der TU München. Dort wird die Fotodokumentation direkt in digitale Zwillinge integriert - also virtuelle Modelle von Gebäuden, die sich mit jedem Umbau aktualisieren. Das bedeutet: Ein Klick auf das Modell zeigt nicht nur den heutigen Zustand, sondern auch den von vor einem Jahr, vor zwei Jahren - mit allen Fotos, Messdaten und Unterschriften.
Doch es gibt ein Risiko: Ein Gutachten des Fraunhofer-Instituts zeigt, dass 67 % der getesteten Bau-Apps Sicherheitslücken haben. Fotos können manipuliert werden - wenn sie nicht verschlüsselt und mit Prüfziffern gesichert sind. Wer digitale Lösungen nutzt, muss darauf achten, dass die Daten nicht nur gespeichert, sondern auch unveränderbar archiviert werden.
Was Sie jetzt tun müssen
Sie planen einen Umbau? Dann handeln Sie jetzt - nicht nach dem Streit.- Beauftragen Sie einen neutralen Sachverständigen - oder machen Sie es selbst, wenn Sie sich sicher sind. Nutzen Sie ein Smartphone mit aktivierter Ortung und Datum.
- Fotografieren Sie alles - von der Fassade bis zum Keller, von der Terrasse bis zur Heizung.
- Speichern Sie die Fotos mit Metadaten - nutzen Sie eine App wie PlanRadar, Sitecam oder sogar eine einfache Dokumentations-App mit Zeitstempel.
- Erstellen Sie ein schriftliches Protokoll - mit Datum, Ort, Unterschrift von Bauherr und Bauleiter.
- Archivieren Sie alles - nicht auf dem Handy, nicht auf der Cloud ohne Passwort. Sichern Sie die Daten auf einer externen Festplatte oder einem sicheren Server.
Ein Umbau ist eine Investition. Die Fotodokumentation ist der Versicherungsschutz dafür. Sie kostet Zeit - aber weniger als ein Rechtsstreit. Sie kostet Geld - aber weniger als ein Schadensersatzurteil. Und sie ist nicht optional. Sie ist Pflicht.